Die Bibel – und sie bewegt uns doch …
Die Bibel, ein verstaubtes Buch? Eine Sammlung zahlreicher Weisheiten? Für Christen ist sie die Grundlage ihres Glaubens. Sie wollen nach Gottes Geboten leben und suchen darin nach Weisung und Wahrheit. Wie bewegt uns die Bibel?
«In der Bibel steht das Wort Christen nur 3-mal, aber das Wort Jünger kommt viel öfter vor.»
Dieses Beispiel erlebte ich vor kurzem in einer Diskussion mit einem jungen Mann. Wir suchen nach Antworten, wir suchen Anweisungen, nach Konzepten und vielem mehr, um Gott zu verstehen. Und manchmal suchen wir vielleicht fast zu gründlich…
Wir wollen Jesus nachfolgen und zwar ganz.
Das ist im Grunde genommen auch richtig.
Die Bibel hat über Jahrtausende hinweg Menschen in Not geholfen und ihnen Halt und Perspektiven in schwierigen Zeiten vermittelt.
Buch des Lebens und auch Buch mit sieben Siegeln

Die Bibel: Buch des Lebens und auch Buch mit sieben Siegeln
Die Bibel spricht über das Leben: Über Geburt und Tod, Liebe und Hass und alle lebenswichtigen Themen und dies ohne etwas zu beschönigen. Manchmal sind die Geschichten und Aussagen schwer oder gar nicht zu verstehen. Unklarheiten und die damit verbundenen Spannungen sind oft schwierig auszuhalten.
Man wünscht sich Sicherheit und muss oft mit der bleibenden Sehnsucht nach Beantwortung drängender Fragen leben.
«Die Bibel sagt klar …»
Diese Aussage in Diskussionen zu verwenden ist verlockend, nimmt den Gesprächspartnern jedoch die Möglichkeit, sich auszutauschen und gemeinsam nach neuen Erkenntnissen zu suchen. Sie hält den Empfänger klein und schützt den Absender vor Kritik.
Mit solch einem Absolutheitsanspruch wird uns ganz viel genommen.
Persönlich erlebt
Jeder Mensch hat seine individuelle Geschichte und erlebt Gott ebenso einzigartig. Der Austausch, wie man Gott erlebt oder wie man welchen Bibelvers verstanden hat, ist unter Christen sehr wichtig. Wir entwickeln uns über unser soziales Umfeld. Um die unverständlichen Texte aus der Bibel besser einordnen zu können, kann man sich an verschiedenste Fachleute wenden. Es ist auch ein immenses Angebot an Literatur auf dem Markt, dessen Aussagen – wie könnte es anders sein – sich teilweise diametral widersprechen. Da fällt Orientierung schwer!
Es ist ausserordentlich wichtig, dabei auch über den eigenen Tellerrand zu blicken.
Wenn es um elementare Lebensthemen geht, reagieren wir oft stark auf der Gefühlsebene und der Verstand kann wie ausgeblendet sein.
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Chancen und Gefahren beim Bibellesen
Aus der Kommunikationswissenschaft weiss man, dass alle Eindrücke, die wir tagtäglich sammeln und deuten, stark mit uns selbst zu tun haben. Wir bewerten Auftreten und Aussagen unserer Gesprächspartner aufgrund unserer Erziehung und der daraus entstandenen Denk- und Sichtweisen. Unsere Persönlichkeit hat also grossen Einfluss auf die Art und Weise, wie wir etwas einschätzen. Darin liegen Chancen und Gefahren. Auch beim Bibellesen.
Die Aussagen der Bibel müssen immer in einem Gesamtkontext (Theorie, Praxis, Beziehung, eigene Möglichkeiten) gesehen werden.
Wer am laufenden Band die Bibel zitiert, ohne die Grundlagen menschlichen Zusammenlebens als genau so wertvoll zu erachten, läuft Gefahr, sich sozial ins Abseits zu stellen.
Die heilende Kraft der Bibel wird so zu Buchstaben-Glauben und lebloser Religion verzerrt.
Leben spüren
«Mein Glaube muss nicht perfekt sein, aber lebendig.»
Dieses wohltuende Zitat ist mir im IGW-Newsletter aufgefallen. Glaube bedeutet auch, unsere körperlichen und seelischen Grenzen zu berücksichtigen. Uns immer wieder neu Gedanken zu machen, wo wir uns einbringen können. Das geht nicht ohne Barmherzigkeit uns selbst gegenüber. Diese innere Haltung ist auch beim Bibellesen sehr wichtig. Sie ist von Liebe und Verständnis geprägt und kann Aussagen aus einer anderen Zeit und Kultur auf die heutigen Herausforderungen und Möglichkeiten übertragen.
Darum bleibt die geduldige Liebe das höchste Mass unseres Glaubens.