Die Angst vor der christlichen Gemeinde – oder die Zurückhaltung, sich dort zu engagieren
Wieso ist es schwierig, Menschen motivierend in christliche Gemeinden einzubinden? Sind es schlechte Erfahrungen oder der Wunsch nach immer mehr Freiheit? In christlichen Gemeinden und Kirchen treffen sich die verschiedensten Menschen, mit unterschiedlichen Vorstellungen und Erwartungen. Die einen freuen sich auf die Beziehungen mit gleich denkenden Menschen oder engagieren sich gerne nebenamtlich. Andere wollen einfach zur Ruhe kommen, der Predigt zuhören und auftanken.
Fehlendes Engagement in der christlichen Gemeinde: Unlust, Angst, fehlende Kraft oder einfach zu hohe Erwartungen von der Gemeindeleitung?
Nebenberufliche Mitarbeit: Konfliktscheu oder fehlende Kraft?
Es scheint ein gesellschaftliches Phänomen zu sein, dass man sich nicht mehr in etwas hinein geben will oder kann … Vielleicht fehlt einem aufgrund der enorm gestiegenen Anforderungen seitens der Wirtschaft und des lebenslangen Lernes ganz einfach die Kraft dazu.
Sich in einen neuen, vielleicht sogar unbekannten Bereich zu investieren, kann sowohl Kraft geben, wie Kraft kosten.
Entwicklung innerhalb der Kirchen: Viele neue Bereiche, die zu pflegen sind
Ein Beispiel: Die Sonntagsschule ist längst nicht mehr nur noch eine Geschichte erzählen. Sie ist heute zum intensiven Unterhaltungsprogramm mutiert. Eine Anpassung auf die Bedürfnisse der Kids seitens der Kirche war notwendig.
Die logische Folge davon: mehr Aufwand, mehr fehlende Mitarbeiter.
Das Engagement ist im Voraus schwer einzuschätzen, die Gefahr, alles alleine machen zu müssen, lässt potenzielle Mitarbeiter verständlicherweise mehr Zurückhaltung üben.
Bedeutung der Kirche früher und heute
Früher ging man selbstverständlicher in die Kirche und war dort eingebettet. Nur war Kirche von gestern, nicht gleich wie die von heute. Das Konkurrenzumfeld im Dorf mit den verschiedensten Anlässen war viel kleiner.
Das ist auch der Grund, warum Weltstars wie John Lennon, Albert Hammond, Diana Ross, Ben E. King etc. ihre Anfänge im Kirchenchor hatten.
Es boten sich sonst keine andere Möglichkeiten an. Die Kirche war ein wichtiger Treffpunkt. Also ging man halt in den Kirchenchor.
Mitarbeit in der christlichen Gemeinde, Kirche – worauf kommt es an?
Zunehmende Anforderungen contra persönliche Bedürfnisse
Und heute? Eltern mit Kindern müssen sich oft auf mehrere Anlässe wie Elternabend, Geschäftsessen, Musikunterricht, Geräteturnen etc. einteilen. Unter diesen Anforderungen leidet die persönliche Erholungszeit. Die braucht es aber, um Grund-Verpflichtungen wie Beruf und Familie gerecht zu werden. Alles Zusätzliche erhält den Status «Beilage». Auch darum, weil statt Werte wie Erholung und Gemeinschaft, mehr Herausforderungen wie mangelnde Bereitschaft («ein Christ macht dies», «früher war mehr Bereitschaft zur Mitarbeit vorhanden» u. a.) im Kern der Predigt stehen.
Die logische Konsequenz:
Heute verpflichtet man sich weniger gern, weil man sich nach Erholung sehnt, sich nicht immer rechtfertigen und nicht in ein System mit hohen Erwartungen gepfercht werden will.
Spürt man gar Misstrauen oder hat man das Gefühl, nur einen Dienst ausfüllen zu müssen, wirkt dies für viele abstossend.
Verbindliche Beziehungen fördern
Jesus hat sein engstes Beziehungsumfeld (sog. «Jünger») in Verbindlichkeit gerufen und nicht in ein fixes Programm. Er ging individuell auf jeden Einzelnen ein und setzte jeden seinen Möglichkeiten entsprechend ein. Jesus förderte die Beziehung.
Beziehung ist, was einen hält, was einen «verankert».
Vielleicht sollten neue Kirchenbesucher nicht gleich «überfallen» werden mit Anfragen auf Mithilfe. Sie sollen einfach mal sein dürfen. Jeder bringt sich nur schon durch seine Anwesenheit mit ein. Daraus dürfen (!) motivierende Beziehungen entstehen, die auch Freiraum für neue Ideen ermöglichen.
Engagement fängt mit Beziehung an, danach zählt die Balance.
Gemeinsam unterwegs sein, sich gegenseitig wahrnehmen können
Was ist zu tun? Gemeinden, Kirchen und deren Mitglieder sind auf gegenseitige konstruktive Kritik angewiesen. Vielleicht ist hier ein Umdenken nötig. Unangenehme Fragen müssen zugelassen werden. Kritik bietet in erster Linie die Chance, sich verbessern zu können und sollte nicht gleich negativ bewertet werden.
Statt immer mehr neue Dienste zu fördern, könnte man vielleicht mehr Raum zum unkomplizierten Zusammensein anbieten. Statt Mitarbeitermangel beklagen, Verständnis zeigen und Freiraum gönnen.
Glaube bedeutet in erster Linie Beziehung leben – eine Folgehandlung ergibt sich von selbst, vor allem dann, wenn die Beziehung stimmt. Und Beziehung ist nichts anderes, als sich gegenseitig wahrnehmen und akzeptieren können.
Die einen können mehr geben, andere weniger. Das ist letztendlich der Massstab und nicht die Anzahl der «offenen Dienste».
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Radiosendung zum Thema «Kirchenaustritte in der Schweiz»
Die Zahl der Kirchenaustritte in der Schweiz nimmt zu. Die Kirchenstatistik zeigt, dass allein im Jahr 2022 knapp 65 000 Personen aus der evangelisch-reformierten und der römisch-katholischen Kirche ausgetreten sind. Bei der christ-katholischen Kirche dürften die Zahlen demselben Trend entsprechen. Die Gründe dafür sind unterschiedlich. Life Channel Host Joni Merz hat zwei Experten mit diesen Fragen konfrontiert und sich mit ihnen in die Zahlen der Kirchenstatistik vertieft. Was trocken klingt, wird bunt und hoffnungsvoll. Auch wenn die Zahlen der Kirchenmitgliedschaften wohl weiter nach unten tendieren.
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Weiterführende Artikel auf Christliche-Werte.ch
© Christlicher-Glaube.ch – überarbeitet am 14.1.2020/8.1.2024 (ar)
Nachfolgend ein Beitrag (Feedback zum Artikel und Erfahrungsbericht), der christliche-werte.ch per Mail zugestellt wurde. Der Name des Autoren ist der Redaktion bekannt.
«Sehr geehrte Damen und Herren!
ich war über 30 Jahre lang in einer Freikirche, bin dort aufgewachsen doch was mich schon als Kind sehr gestört hat waren die zahlreichen Gemeindeaktivitäten an denen wir als Kinder teilnehmen sollten.
Ich hatte in meiner Schulzeit 2 Tage Ganztagsschule, viele Hausaufgaben, viele Klassenarbeiten, Referate, Nachhilfe und musste viel für die Schule lernen. Dazu kamen dann noch der biblischen Unterricht mit seinen Hausaufgaben, Teenkreis und sonntags Gemeindeaktivitäten. Hinzu kamen oft noch andere Sachen dazu, Freizeiten vom Teenkreis, Freizeiten vom biblischen Unterricht, Ferienbibelkurs in Biedenkopf usw.
Ich war von der Schule oft total erschöpft und wollte mich nach dem lernen gerne hinlegen um zu schlafen weil ich so kaputt war, doch das ging nicht weil ich dann zur Gemeinde fahren musste. Man konnte es sich nicht leisten zu fehlen denn wenn es so war, wurde man als lauer Christ bezeichnet und es wurde erwartet, dass man jede Woche an diesen Aktivitäten teilnahm.
So kam es dann zu einem Burnout und unter den Folgen leide ich auch noch heute als Erwachsener, Tinnitus, das geht nie mehr weg und das habe ich seit meiner Schulzeit. Ich hatte dann einen Burnout mit Schwindelattacken und allen möglichen Symptomen.
Wir sind eine Leistungsgesellschaft und die Anforderungen im Berufsleben werden immer mehr, die Gemeinde ist leider genauso. Sie ist ebenfalls eine Leistungsgesellschaft und der Gemeinde ist es egal wie es den Menschen geht denn es geht ihnen nur um deine Arbeitskraft! Nach über 30 Jahre verließ ich meine Gemeinde, heiratete.
Die Gemeinde zu verlassen war für mich wie ein grosser Befreiungsschlag, endlich hatte ich mal die Möglichkeit mich nach der Arbeit auszuruhen und am Wochenende komplett abzuschalten ohne weitere Verpflichtungen, das kannte ich in den ganzen 30 Jahren Gemeindeleben nicht!
Seit einigen Jahren bin ich jetzt aus meiner Gemeinde weg und fühle mich auch heute noch sehr befreit innerlich. Nach einer langen Auszeit bin ich dann ins Gebet gegangen um zu überlegen ob Gott eine neue Aufgabe für mich hat. Seit meiner Kindheit beschäftigt mich das Thema Weltmission. Da mein Mann und ich in unseren Urlauben schon oft in Asien waren haben wir da eine grosse geistliche Not gesehen. So habe ich dann eine Missionsgesellschaft gefunden die viel in Asien tätig ist. So habe ich dann dort Gebetspartnerschaften für Missionare in Thailand, Japan und Taiwan übernommen. Ansonsten machen wir Gebetsmeetings wo Missionare aus verschiedenen Ländern zugeschaltet werden per Zoom die dann von ihrer Arbeit erzählen und wir beten dann für sie. Sonst machen wir auch noch Gebetsmeetings wo wir für die Regierungen und Leitungen verschiedener Länder beten.
Für mich ist das eine grossartige Aufgabe die ich sehr gerne mache und es ist immer wieder toll zu sehen wie Gott Gebete erhört! Das tolle an dieser Arbeit ist, dass ich eine freie Zeiteinteilung habe und das von zu Hause aus machen kann. Sonst habe ich Christen außerhalb der Gemeinde kennengelernt mit denen ich Gemeinschaft haben kann. Das tolle ist, dass ich selber meine Termine bestimmen kann. So finden diese Treffen immer an unterschiedlichen Wochentagen zu unterschiedlichen Tageszeiten statt. Es ist eine beziehungsorientierte Gemeinschaft wo wir uns gegenseitig ganz anders öffnen kann als in einer Gemeinde. Wir können füreinander beten, tauschen Gebetsanliegen aus, schicken Bibelverse usw. Die Gemeinschaft in der Gemeinde ist programmorientiert, das Programm steht dort immer im Vordergrund aber das macht es schwierig eine beziehungsorientierte Gemeinschaft zu führen finde ich denn nach dem Programm geht man nach Hause. Gebet findet meistens so meine Erfahrung eher oberflächlich statt was mir immer sehr gefehlt hat. Wenn wir Gebetsmeetings haben dauern Gebete oft eine ganze Stunde und Gott schickt einem dann Gedanken wo man vor dem Gebet gar nicht dran dachte.
Ich kann mir absolut nicht mehr vorstellen in einer Ortsgemeinde zu sein! In der Bibel steht nämlich nicht, dass wir uns am Sonntagmorgen um 10 Uhr in der Gemeinde versammeln sollen, wir finden auch nicht, dass Treffen mit anderen Christen immer an einem bestimmten Wochentag und zur gleichen Uhrzeit stattfinden sollen. Für mich war es eine sehr gute Entscheidung meine Gemeinde zu verlassen und einen neuen Weg einzuschlagen, ich habe es bisher nie bereut und ich werde meinen Weg so weiter gehen.»
Haben Sie ähnliche Erfahrungen gemacht? Christliche-Werte.ch freut sich auf Ihren Kommentar (auch anonym möglich). Vielen Dank.