Christ sein, was beinhaltet das?
Kürzlich hatte ich ein Gespräch mit einem jungen Mann. Er erzählte mir von Missionaren, die vor Jahren in ferne Länder auswanderten, um dort zu missionieren. Inzwischen seien sie der Meinung, dass Europa selbst zu einem führenden Missionsthema werde. Die Menschen hier wüssten nicht mehr, wer Gott sei und würden nicht nach ihm fragen. Solche Äusserungen höre ich immer wieder. Und ich frage mich, wer bestimmt, wie ein Christ leben muss?
Kulturunterschiede haben Einfluss auf unser Verhalten
Was haben Chinesen, Afrikaner, Franzosen, Dänen und Engländer gemeinsam? Dass sie alle Menschen sind. Nun hat jedes Land so seine eigene Kultur. Die Dänen essen gerne Süsses, die Engländer trinken Tee, die Deutschen lieben die Präzision etc.
Im Buch «Wanja und die wilden Hunde» schreibt die Autorin Maja Novak über ihre Erlebnisse in einem abgelegenen Dorf in Russland. Die meisten der dortigen Einwohner sind über 80 Jahre alt. Als sie einige ausgewählte Freunde zu sich eingeladen hatte, kam auch eine Frau, die sehr unbeliebt war. Maja Novak liess sie nicht in ihre Wohnung. Die Frau war ja, nach deutschen Regeln zumindest, gar nicht eingeladen. Als sie zurück zu ihren Gästen kam, herrschte eine betroffene Stimmung.
In Russland wird niemand von der Türe verwiesen, das verbietet die Gastfreundschaft. Es gehört ebenfalls zur Kultur in Russland, dass man danach nicht mehr über dieses Vergehen spricht. Was vorbei ist, ist vorbei. Punkt.
Kann ich also einen Raster für das Christsein erstellen und es auf alle Kulturen anwenden? Ist es korrekt, eine Evangelisation in einem Drittweltland mit Europa zu vergleichen und von einer grossen Offenheit für das Christentum zu sprechen, bei Europa aber nicht?
Innere Werte können verschieden interpretiert und ausgelebt werden.
Leben als Christ. Von Freiheit und Erwartungen …
Christsein hat Folgen
Ist innere Einstellung ersichtlich? Ja. Wir leben unseren Lebensstil. Der ist einzigartig und pro Mensch verschieden. Weil jeder von uns in seiner Jugendzeit verschiedene Erlebnisse gemacht und diese mit seiner privaten Logik bewertet hat. Von da haben wir uns innere Glaubenssätze eingeprägt wie «Ich bin es nicht wert» oder «Ich muss erfolgreich sein». Diese Glaubenssätze bestimmen unser Verhalten.
Entscheidet sich nun jemand bewusst für ein Leben nach christlichen Werten, ist dies ebenso sichtbar. Weil innere Einstellung verändert wird («Ich bin von Gott geliebt und somit wertvoll»).
Doch auch hier gilt: Jeder so wie er kann und wie er ist. Auf seine eigene Art. Das kann im Stillen sein, das kann im Hintergrund ablaufen. Laut, leise, dezent, prägnant.
Vieles ist möglich. Wichtig ist, dass wir es auf unsere Weise tun. Die lässt sich nicht immer einordnen. So ist Originalität. Und die ist sicht- und spürbar.
Was im Stillen geschieht, ist ebenso wertvoll
Wir Menschen haben oft ein internes Raster (individuelle Sicht- und Erlebensweise), um etwas oder andere zu beurteilen. Anhand dieses Rasters kommen wir zum Schluss, ob etwas gut ist, ob es genügt, oder ob sich etwas ändern müsste. Das ist beim Christsein leider nicht anders. Als ich vor Jahren einer Freikirche angehörte, hatte ich nach der Predigt oft den Eindruck, ich genüge nicht. Mangel an Mitarbeitern wurde beklagt, mangelnder Glaube, mangelnde Disziplin etc.
Nur, mit überaus hohen Zielen kann niemand genügen.
Zumindest nicht langfristig. Gott spricht von einem Senfkorn, dem kleinsten aller Samenkörner, das wächst. Von Gebet, das heimlich im stillen Kämmerlein erfolgt. Wachstum geschieht in der Regel im Stillen. Ohne Proklamation.
Die innere Einstellung und Bereitschaft entscheidet
Ist es nicht letztendlich entscheidend, wie ich etwas tue und wie wichtig es mir ist? Das hat allerdings nichts mit einem Kriterienraster zu tun, sondern mit Einstellung und Visionen. Lebe ich als christlicher Unternehmer oder bin ich ein Christ im Berufsleben? Beides ist möglich und beides kann sich unterscheiden. Kam Gott begleitet von Pauken und Trompeten zur Welt, oder natürlich, als Baby? Seine Botschaft war auf Liebe ausgerichtet. Kriterienraster wie diejenigen der religiösen Elite hat er verurteilt.
Wie wirken Christen?
Unterschiedlich. Wer definiert, was ein Christ macht, wie er zu leben hat, wirkt oft befremdend, vielleicht sogar einengend. Diese Kriterien sind teilweise nicht nachvollziehbar. Im Vordergrund werden sie so verkauft, als stammten sie von Gott. «Biblisch» belegt. Das wiederum hat Einfluss auf das Image von Gott und auf das notwendige Vertrauensverhältnis, damit sich Menschen christlichen Werten öffnen können.
Meine Erfahrung zeigt mir: Begegnet man Menschen als Menschen, kann Vertrauen aufgebaut werden. Das eigene Leben und der Umgang mit Herausforderungen werden gut beobachtet. Hier geschieht Werbung für den christlichen Glauben: positiv wie negativ.
Das allerdings sieht man nicht von einem anderen Kontinent aus. Das ist etwas, was ganz persönlich, innerhalb von Beziehungen und im grauen Alltag geschieht. Halt eben im Stillen …