Beten: Mehr als nur reden
Die Bibel spricht von verschiedenen Arten von Gebet. Zwei Beispiele möchte ich in meinem Blog erwähnen: Die langen, öffentlich vorgetragenen Gebete, bei denen es darum geht, dass der Betende von seinen Mitmenschen als besonders religiös wahrgenommen wird. Die meistens im stillen Kämmerlein formulierten Gebete, die Ausdruck einer ganz persönlichen Beziehung sind.
Gebet: persönlich und kurz
Bei den Beispielen mit den langen Gebeten geht es hauptsächlich um den Absender. Er will einen Einfluss auf sein Image nehmen. Spannend ist die Reaktion von Jesus Christus auf die Frage, wie man beten soll. «Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht viel plappern wie die Heiden; denn sie meinen, sie werden erhört, wenn sie viele Worte machen.» (Matthäus 6, Vers 7). Aus diesem Hinweis ist das sehr bekannte Vaterunser Gebet entstanden, das kurz und doch aussagekräftig ist.
Natürlich geht es nicht um die Länge eines Gebetes. Wer viel zu sagen hat, soll dies auch dürfen. Es geht letztendlich um die ehrliche innere Haltung. Dazu ein ganz praktisches Beispiel:
Gebet ist entweder ein Dialog (Beziehung) oder Monolog (Ego im Zentrum)
Ich stelle mir manchmal vor, wie das wäre, wenn ich als Vater Gott wäre und meine Kinder zu mir kämen, beziehungsweise, eben mit mir sprechen würden. Himmlisches heruntergebrochen auf Irdisches, sozusagen. Wie wäre das, wenn die Kinder ein langes Gebet (in unserem Sinne wohl einfach einen Monolog) «zu mir» sprechen würden? Wenn ich sie ansehen und sie mich doch nicht wahrnehmen würden, weil sie fälschlicherweise davon ausgehen, dass die Länge ihres Monologes entscheidend für meine Unterstützung ist. Ist es nicht so, dass ich als Vater ihr Anliegen und Ihre Motivation schneller erfasst habe, als es ihnen bewusst ist. Da ist so etwas wie eine Kompetenz. Das Hören zwischen den Zeilen. Ihr Monolog käme mir seltsam vor. Vielleicht würde ich ihr Anliegen gar nicht wahrnehmen, weil ich als Vater schon von diesem gezielten Versuch, mich mit vielen Worten beeinflussen zu wollen, irritiert wäre.
Offene und ehrliche Beziehung als Basis
Wenn sie offen und ehrlich sind, helfe ich ihnen, mögliche gangbare Wege zu finden. Allein ihre Ehrlichkeit, ihr Vertrauen zu mir würden mich ehren. Sie müssen ja nicht perfekt sein, müssen auch nichts verstecken. Lange Reden, innere Abwesenheit oder gezieltes Kalkül würden mich eher abstossen. Als Vater spüre ich ihre Haltung und ihre Ehrlichkeit sofort heraus. Sollte es Gott, der eh alles von uns Menschen weiss, anders gehen? Eine ehrliche Beziehung erlaubt mir ehrliche Worte. Ob lang oder kurz wird dadurch zweitranging. Dafür wird die Beziehung viel, viel tiefer …